“Das hätten die schneller haben können”, witzelte ein Antenne Bayern Moderator (m. E. Wolfgang Leikermoser?) im Radio in Bezug auf die längste Bundesversammlung in der deutschen Geschichte. “Man hätte die Wahl nur auf einen Tag legen müssen, an dem ab 16.00 Uhr wieder Fussball gespielt wird.” Und das entbehrt nicht einer gewissen Wahrheit.

Hatten die Abgeordneten schliesslich in Ermangelung eines Fussballspiels alle Zeit der Welt, um sich im Reichstag gemütlich einen vollen Tag lang vom Catering verköstigen zu lassen und, wem auch immer ihr Wahlverhalten galt, jemandem einen politischen Denkzettel zu verpassen.

War die letzte Bundespräsidentenwahl im Jahr 2009 bereits durch skandalös vorab über Twitter veröffentlichte Wahlergebnisse von Ulrich Kelber (SPD), Garrelt Duin (SPD) und Julia Klöckner (CDU, Twitter-Meldung inzwischen gelöscht) in die Schlagzeilen geraten, so hätte man nach dem Rücktritt Horst Köhlers bei der Neuwahl 2010 vorbereitet sein sollen.

In seinem Blog schreibt Thomas Knüwer, dass man sich sowohl im Reichstag (bspw. durch Einsatz eines Praktikanten, welcher die aktuellen Twittermeldungen verfolgt) als auch in den Reihen der Journalisten mit Twitter hätte auseinandersetzen sollen. Besonders peinlich sind Pressemeldungen, welche, basierend auf Twitterposts, Falschmeldungen in Umlauf bringen. So hat sogar FAZ.net noch während des ersten Wahlgangs fröhlich gemeldet, dass Wulff im ersten Wahlgang gewählt wurde. Diese Falschmeldung wurde natürlich wieder vom Netz genommen, allerdings hat das findige Reizzentrum einen Screenshot dieser unglaublichen Meldung ins Netz gestellt. Danke dafür!

Besonders spaßig meinte es wohl Miles Möller (laut Xing Webentwickler aus Osnabrück), welcher es mit einer vorsätzlichen Twitter-Falschmeldung sogar bis in den Spiegel-Online Live-Ticker der Bundespräsidentenwahl schaffte. Ob es erstrebenswert ist, dies zu schaffen, möchte ich an dieser Stelle einfach mal dahingestellt sein lassen. Fakt ist, dass auch der Spiegel, sicherlich nicht bekannt für das am besten recherchierte Medium, voreilig und ungeprüft Meldungen weiterreicht.

Bedenkt man, dass die drei vorab veröffentlichten Wahlergebnisse von 2009 korrekt waren, so ist es wenig verwunderlich, dass Journalisten heute den vermeindlich einfachen Weg gehen und unbestätigte Meldungen in sagenhafter Sensationshektik ungeprüft weiterreichen. Irgendwann wird man bei vorschnell veröffentlichten Meldungen schon mal einen Treffer landen und umjubelt werden, mögen sich einige Journalisten denken. Der Pulitzer-Preis wird allerdings nur in den USA verliehen, keine Chance also für deutsche Sensationspresse.

Man mag über schnelle und schnellste Nachrichtenberichterstattung denken, was man möchte. Bestimmt ist ein jeder gerne frühzeitig informiert. Ich persönlich bevorzuge jedoch ehrliche und notfalls gut recherchierte Statements und Berichte. Das aktuelle RTL-Sommerinterview mit Sigmar Gabriel ist hier ein gutes Beispiel, wenngleich der Kölner Privatsender auch nicht gerade für die seriösesten Reportagen berühmt ist.

Nachrichten schnell? Ja, bitte. Bitte auch so knapp wie möglich und umfassend wie nötig. Allerdings bitte auch gut recherchiert. Für Enten und Falschmeldungen sorgen die Nutzer von Twitter, Facebook und Co. schon selbst.

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